Der Pumpernickel von Wissembourg
und im Münsterland
In Wissembourg, der kleinen Stadt im nördlichen Elsass direkt an der Grenze nach Rheinland-Pfalz, gibt es ein Relief aus dem 16. Jahrhundert, auf dem ein Kerl namens „Pumpernickel“ abgebildet ist.
Serge Burger von den Freunden des Museums Westercamp erklärt uns die Figur so:
Der Pumpernickel, eine symbolträchtige Figur des Westercamp-Museums in Wissembourg, eine kleine kostümierte Erscheinung, wird in Form eines polychromen Basreliefs aus Vogesensandstein aus dem Jahr 1502 präsentiert, dessen mit Pflanzenmotiven im Renaissance-Stil verzierter Rahmen aus dem Jahr 1502 stammt und 1717 restauriert wurde.
Die Steinplatte trägt eine Inschrift in deutscher Sprache, durchsetzt mit Dialekt, einer Art Trinklied, das uns sagt, dass der Pumpernickel durstig ist.
Mit einem Krug und einem Stielglas scheint der Pumpernickel, die Wissembourg-Personifizierung des antiken Bacchus, zur Verkostung einzuladen.
Der lokalen Überlieferung zufolge handelt es sich um ein Denkmal
zum Ruhm eines gewissen Nickel, Kammerdiener an der „Weißkirche“ in Weißenburg;
ein etwas naiver Charakter, aber sehr sympathisch und mit fröhlichem Charakter.
Es heißt, dass ihm die Kunden früher die Reste ihrer Mahlzeiten reichten und
riefen: „Das ist gut für Nickel …“ … und so entstand der Name „Pumpernickel“ …“
https://amis-musee-westercamp-wissembourg.org/2015/06/08/le-pumpernickel-du-musee-westercamp/
(übersetzt von G. E.)
Schaut man sich den Text genauer an, so erkennt man, dass der fröhliche Kerl eigentlich „Bumper Nickel“ heißt. Die Transkription des Trinkliedes zeigt die uneinheitliche Verwendung der Buchstaben b und p; sie wurden im Pfälzischen Dialekt damals wohl beide wie unbetonte Konsonanten ausgesprochen.
Hört zu ihr brüder Inßgemein weil wir alhier versamlet sein, Von wunderlichen dingen so Bumber Nickel thut singen Der Bumper Nickel singt daß in der Kirch erklingt Trinckt rum ihr lieb Brüder daß es kombt Bald an mich Ach Ach wie durst es mich Der Bumber Nickel ist gar Trucken drum faßt er Hencken sein Humpen. |
Heute würde man das Lied wohl so singen:
Hört zu ihr Brüder insgemein, Weil wir allhier versammelt sein, Von wunderlichen Dingen, So Pumpernickel tut singen. Der Pumpernickel singt, Dass in der Kirch erklingt. Trinkt rum ihr lieb Brüder, Dass es kommt bald an mich, Ach, Ach wie durst‘ es mich. Der Pumpernickel ist gar trocken, Drum fasst er am Henkel sein Humpen |
Über den Ursprung des Wortes belehrt uns Wikipedia:
Der Begriff Pumpernickel ist in dieser Schreibweise von Peter Hagendorf seit 1630 belegt, seine Aufzeichnungen wurden aber erst 1988 vom Historiker Jan Peters gefunden und haben somit keine Rezeptionsgeschichte. Johann Balthasar Schupp erwähnt einen Bompurnickel in seinem Werk Lehrreiche Schriften aus dem Jahr 1677: „Wie der alte Bompurnickel, von welchem die alte teutsche Kriegsknecht sungen: Bompurnickel ist wieder kommen und hat die Schuh mit Bast gebunden.“
– SCHUPPIUS: Schriften, I, 249.
Das Wort bezeichnet einen groben, klotzigen Menschen und ist danach eine Zusammensetzung aus „pumpen“ = „dumpf schallen“ bei Stoß, Klopfen, Fall usw. und aus „Nickel“, Abschwächung und Kürzung von „Nikolaus“.
Nachdem Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen in seinem „Simplizissimus“ vom westfälischen Schwarzbrot aus Roggen als grässlichem Pumpernickel sprach, soll diese Bezeichnung nur noch für Brot gebraucht worden sein. Tatsächlich ist seit dem 17. Jahrhundert das Wort Pumpernickel als spöttische Bezeichnung für Kommissbrot bzw. Vollkornbrot bekannt. Später schränkte sich seine Verwendung auf das westfälische Schwarzbrot ein, das mit diesem Begriff außerhalb von Westfalen bezeichnet wurde, während es in Westfalen schlicht Schwarzbrot oder „grobes Brot“ hieß.
Jch hatte meinen Cameraden ſchon inſtruirt/ |
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Josef Winckler aus Bentlage bei Rheine hat 1925 folgende Anekdote veröffentlicht:
Ein Pfannkuchen wettete mit einem Pumpernickel1, wer im Lande das meiste Ansehen hätte. »Das bin ich –«, sagte der Pfannkuchen – »denn erstens gehöre ich zur Familie der Kuchen, zweitens komme ich in die Pfanne, in der auch die Öljekräppkens2 gebacken werden – du aber wirst in eine Höhle zugemauert, um gar zu werden!
Und die Bäckerknechte treten dich vorher mit nackten Füßen im Trog, higitt!«
»Hm«, knurrte der Pumpernickel – »du bist man so dünn wie ein altes Lindenblatt und hast nur knusperige Ränder, während ich dick wie ein Berg bin und einen Panzer rund um den Leib trage wie ein Ritter; deo gratias!3«
»Kennst du Fett? Kennst du Specköskes4? Kennst du gebeutelt echt weißes Weizenmehl –?«
»Kennst du Bullstern5? Kennst du Sauerteig? Kennst du gemahlen echt graues Roggenmehl –?«
»Kannst du dich heben juchhe! mit so schönem Knappen?6« stichelte der Pfannkuchen noch frecher und hub sich knappend in der Pfanne.
«Kannst du holderdipolter vom Tisch fallen, dass die Schränke zittern –?« ärgerte ihn noch dreister der Pumpernickel und ließ sich auf den Boden stürzen.
»Döskopp – bist du so hübsch warm im Innern wie ich?« schrie da der Pfannkuchen ihm höhnend über den Rand der Pfanne zu.
»Schietkerl – kann dir doch jedes Huhn in die Seele picken!« brüllte der Pumpernickel, als der Hahn auf seinen harten Rücken sprang.
»Was ist das für eine Wirtschaft hier?« fragte die Mutter, als sie wieder durch die Türe trat – »der Pfannkuchen springt halb vom Herd, der Pumpernickel liegt auf der Erd'? Man kann auch nicht eine Minute aus der Küche gehn – –.«
Und ließ den Pfannkuchen kalt werden und legte ihn dick auf eine dünne Scheibe Pumpernickel und schmeckte:
»Ja – das passt fein zueinander –! Das ist ganz wie füreinander gemacht!« . . .
Josef Winckler: Pumpernickel. Schicksale und Gestalten um Haus Nyland. Köln 1992, S. 30f.
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1 ein westfälisches schwarzbraunes, süßlich und würzig schmeckendes Brot aus Roggenschrot
2 Hefekrapfen in Öl, westfälisches Fastengericht
3 Dank sein Gott
4 gebratene Speckstückchen
5 Kleie im Brot
6 rundliches äußerstes Ende
Pumpernickel. Menschen und Geschichten um Haus Nyland. Stuttgart 1925.
Alfred Joseph Werner Winckler (1881-1966) war ein westfälischer Schriftsteller. Sein bekanntestes Werk, „Der tolle Bomberg“ von 1923, wurde ein Verkaufsschlager. Es wurde 1957 mit Hans Albers in der Hauptrolle verfilmt.